© Parc Adula
Gianpietro Canepa ist der Vize-Gemeindepräsident der Gemeinde Blenio. Er führt einen Forstbetrieb und mit Unterstützung seines Vaters auch ein landwirtschaftliches Unternehmen. Geboren und aufgewachsen ist er in Olivone. Nach seiner Forstwartlehre arbeitete er mehrere Jahre für einen im Tal ansässigen privaten Betrieb. Anschliessend besuchte er die höhere Fachschule in Maienfeld und sammelte dann einige Jahre Berufserfahrung ausserhalb des Tessins. Sein Unternehmergeist brachte ihn 2005 dazu, das landwirtschaftliche Unternehmen seines Onkels und einige Aufgaben im Forstbereich zu übernehmen. Heute gehören zu seinem Betrieb sechs Mitarbeiter und ein Auszubildender.
PA. Wie sind Sie mit dem Projekt Parc Adula in Berührung gekommen?
GC. Involviert in das Projekt bin ich erstens als Landwirt, weil ich die Alp Greina in der Kernzone beweide, und zweitens als Mitglied des Gemeindevorstandes Blenio, die von Anfang an ein Promotor dieses Projekts gewesen ist. Die Alp gibt seit jeher Anlass zu Diskussionen. Viele Bewirtschafter sind gegen den Park. Sie befürchten, nicht mehr alles tun zu können, was sie wollen. Doch die traditionelle Alpbewirtschaftung ist in jedem Fall gestattet. Ich als Mitglied des Gemeindevorstandes und Unternehmer denke, dass das Projekt positive Auswirkungen haben wird. Das Allgemeininteresse sollte vor die persönlichen Belange des Einzelnen gestellt werden.
PA. Hat die Vernehmlassung einige Kritikpunkte mildern können?
GC. Die von den Gemeinden, Bürgergemeinden und Alpbesitzern eingereichten Stellungnahmen haben zu interessanten Resultaten geführt, wie die Herausnahme der Voralp Garzott aus der Kernzone. Nicht zu vergessen die Zugangsstrassen, das Camadratal und die Holznutzung für die Alp. Meiner Meinung nach hat diese Initiative ein akzeptables Ergebnis hervorgebracht.
PA. Wie lässt sich dann diese Skepsis erklären?
GC. Das Projekt kommt in einer schwierigen Zeit. Wir haben gerade das von den Städtern gewollte Lex Weber über die Zweitwohnungen hinter uns. Hinzu kommen jetzt die Revision des Raumplanungsgesetzes und die Rustici-Fragen. Die Menschen sind müde, misstrauisch und gehen auf Abwehrstellung. Sie wollen einfach nicht noch mehr Regeln und Auflagen.
PA. Kann diese Hürde überwunden werden?
GC.Vor etwa zehn Jahren begann man darüber zu diskutieren, wie mit der Moorlandschaft am Lukmanier verfahren werden sollte. Ich erinnere mich noch daran, wie alle Zeter und Mordio schrien. Dann bezahlten der Bund und der Kanton 2–3 Jahre lang einen Alphirten, subventionierten die Zäune und die Alpgenossenschaft hat es letztendlich begriffen. Heute würde niemand mehr darauf verzichten wollen. Mein Unternehmen ist mit dem Mähen der Moore beauftragt. Die Geschichte wiederholte sich einige Jahre später bei der Agrarpolitik 2014–2017. Sie brachte den Übergang von der produktionsbezogenen auf die flächenbezogene Zahlung mit sich. Heute würde niemand mehr zum alten System zurückkehren wollen. Im Bleniotal gibt es nur eine ganz geringe Zahl an Betrieben, die dadurch weniger Beiträge erhalten, der überwiegende Teil bekommt mehr. Als man dann vor drei Jahren über das Vernetzungsprojekt für die Weiden zu sprechen begann, waren Dötra, Anvéuda, Malvagliatal vehement dagegen, aber schliesslich haben alle Betriebe aus dem Bleniotal doch zugestimmt. Im letzten Jahr kam das Projekt zur Landschaftsqualität. Alle meinten, dass es nutzlos sei und Geld zum Fenster hinausgeworfen werde. Aber wollte man dann wegen der Eintragung der Massnahmen nach Malvaglia, dann war da eine Schlange, die sich erst nach zwei Tagen wieder auflöste. Heute würde kein Betrieb mehr darauf verzichten wollen. Jetzt ist der Parc Adula an der Reihe. Für mich ist das auch gar kein Thema mehr, dass man in 10 Jahren wieder zur Abstimmung schreitet. Denn nach zwei Jahren wird niemand mehr darauf verzichten wollen. Die Geschichte wiederholt sich eben. Wenn die Antwort jedoch Nein sein sollte, dann werden Finanzierungshilfen, die wir zur Bewirtschaftung der Gegend und zur Ankurbelung des Tourismus benötigen, einfach verschwinden .
PA. Warum befürworten Sie das Projekt Parc Adula?
GC.Man sollte aufhören, sich an Detailfragen aufzuhängen, ehrlich sein und das Projekt, so wie es jetzt ist, mit seinen positiven und negativen Aspekten annehmen. Es kommt mir so vor, als müsste ich eine Offerte für eine Jahrhundertarbeit abgeben. Der Preis ist unheimlich knapp kalkuliert, und eigentlich bist du überhaupt nicht glücklich damit. Aber wenn du den Umschlag mit dem Angebot nicht abschickst, dann wirst du nie den Auftrag erhalten. Erhältst du aber den Zuschlag, haben deine Angestellten Arbeit, und am Ende geht immer alles gut aus. Probiert man etwas nicht aus, weil es einem nicht gefällt und nicht alle Bedingungen ideal sind, kann man eigentlich nur den Kürzeren ziehen und das führt nirgendwohin. Ein Unternehmer mit einer solchen Einstellung kann gleich zumachen. Bei allen Vorbehalten gegen dieses Projekt sollte man das Wesentliche im Auge behalten. Es gibt keine Alternative. Das Projekt ist unsere einzige Chance. Versuchen wir es doch einfach. Wir sollten keine Angst vor Neuem haben. Ausserdem ist es das einzige Projekt, das wir aus eigenen Kräften und mit unseren Möglichkeiten stemmen können, ohne auf einen ausländischen Geldgeber – wie bei den Thermalbädern – warten zu müssen.
Parc Adula, 11 | 11 | 2015