Parc Adula

Nationalparkprojekt

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Marcello Monighetti

Marcello Monighetti 

Berghütten, Wanderwege und die regionale Ent­wicklung stehen auf der Prioritätenliste des Projekts Parc Adula weit oben. Einige Fragen zu diesen Themen hat uns Marcello Monighetti beantwortet, der ehemalige Bürgermeister von Olivone, Vertreter der Gemeinden von Blenio (ASCOBLE – Associazione dei Comuni della Valle di Blenio) in der Versammlung Parc Adula und Mitglied der Arbeitsgruppe „Wanderwege und Mobilität“ für den Tessiner Alpenverein FAT (Federazione Alpinistica Ticinese).

 

PA. Eine Initiative unter Ihrer Leitung hat im Jahr 2009 dazu geführt, dass seitens des Bundesrates die Reglementierung der Kernzone geklärt wurde. Vor kurzem haben Sie jedoch wiederum Bedenken hinsichtlich des Überlebens der Berghütten angemeldet. Könnten Sie unseren Lesern etwas näher erläutern, worin diese bestehen?

 

MM. Im September 2009 wurde in Zusammenarbeit mit den anderen Eigentümerverbänden der Hütten in der Kernzone eine Pressekonferenz organisiert. Das Ziel bestand darin, die öffentliche Meinung hinsichtlich der möglichen Folgen der Pärkeverordnung (PäV) zu sensibilisieren, vor allem in Bezug auf Artikel 17. Diese Pressekonferenz veranlasste Sep Cathomas, damals Mitglied der operativen Gruppe und Nationalrat, beim Bundesrat eine förmliche Anfrage einzureichen, mit der verbindliche Zusicherungen gesichert werden sollten, u. a. für die Zukunft der Hütten in der Kernzone. Obwohl die Antworten gewissermassen beruhigend ausfielen, ist dennoch zur Vorsicht und Umsicht geraten, vor allem was die Details der Verwaltung dieser Infrastrukturen angeht.


In den zurückliegenden Jahren haben die Alpenvereine (sowohl die Federazione Alpinistica Ticinese – FAT als auch der Schweizer Alpen-Club – SAC) mehrere Millionen investiert, um diese Gebäude an die stetig zunehmenden Ansprüche ihrer Benutzer anzupassen. Die Vorstellung, diese wichtigen Anlaufstellen und Unterkünfte, die auch eine wirtschaftliche Bedeutung für die Regionen haben, aufgrund eines neuen Nationalparks schliessen zu müssen, scheint mir angesichts der baldigen öffentlichen Abstimmung zum Projekt Parc Adula nicht nur unangemessen, sondern extrem negativ zu sein. Es sind jedoch noch immer zahlreiche Fragen offen, die unbedingt und sobald wie möglich mit den zuständigen Behörden geklärt werden müssen.


PA. Seit letztem Jahr vertreten Sie nicht nur den Verband der Gemeinden des Valle di Blenio (ASCOBLE – Associazione dei Comuni della Valle di Blenio) in der Versammlung Parc Adula, sondern sind auch als Mitglied der Arbeitsgruppe „Wanderwege und Mobilität“ tätig. Können Sie uns eine Vorstellung von den Themen, die behandelt werden, und den entsprechenden Zielsetzungen vermitteln?


MM. Die Gruppe hat sich bisher nur zweimal getroffen, was zu wenig ist, und zwischen den beiden Treffen lag ausserdem ein zu langer Zeitraum, als dass es möglich gewesen wäre, sich dem Thema mit dem notwendigen Engagement zu widmen. Doch davon abgesehen wird innerhalb der Gruppe konstruktiv gearbeitet.


Eines der Hauptthemen betrifft die Bewegungsfreiheit in der Kernzone: Die Pärkeverordnung (PäV) verbietet nämlich jegliches Abweichen von den offiziellen Pfaden. Wir arbeiten jedoch auf Ausnahmevereinbarungen hin, die den Zugang zu allen Gipfeln und Orten von besonderer landschaftlicher Bedeutung zulassen. Die Wege dorthin werden in den vom SAC herausgegebenen Führern beschrieben. Die Gruppe lotet ausserdem Möglichkeiten für Ausnahmevereinbarungen im Hinblick auf Bergsportarten aus.


PA. Sie zählen zweifellos zu den Personen, denen die Zukunft des so genannten Sonnentals am Herzen liegt – eine Zukunft, die trotz der aktuellen Aussichten unsicher scheint. Kann ein Nationalpark Ihrer Meinung nach zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region beitragen? Wie können die Bewohner des Valle di Blenio von den Möglichkeiten profitieren, die sich im Rahmen dieses Vorhabens bieten?

 

MM. Die Natur in dieser Region ist so gut wie intakt und zieht während der schönen Jahreszeit zahlreiche Besucher an, unterliegt jedoch auch strengsten Schutzbestimmungen. Letzteres wirkt oft abschreckend oder scheint jegliche wirtschaftliche Initiative von vornherein auszuschliessen. Das darf natürlich keine Rechtfertigung sein. Obwohl es im Tal bedeutende Vorhaben gibt und einige davon gerade umgesetzt werden, werden wir leider dennoch Zeuge eines langsamen, doch unerbittlichen Verfalls. Nur ein Beispiel von vielen: Das Hotel San Martino in seiner beneidenswerten Lage im Zentrum von Olivone wartet seit Monaten auf beherzte junge Unternehmer, die es wiedereröffnen.

Der Park, sollte er zur Realität werden, darf nicht um seiner selbst willen existieren, sondern er muss von der örtlichen Bevölkerung mitgetragen und vor allem mitgelebt werden. Darum glaube ich, dass ein stärkerer Einbezug der Bewohner unverzichtbar ist und dort beginnen sollte, wo jemand heute einen direkten Nutzen hat.

Ich persönlich hätte mehr investiert, um die örtlichen Problematiken besser zu verstehen, was z. B. die Jagd, den Wald, die Landwirtschaft mit ihren Alpen und den Tourismus im Allgemeinen angeht. Es hätten klare, direkte und unzweideutige Antworten von den Verantwortlichen des Bundes eingefordert werden müssen, um die Zweifel und die Skepsis, die ein guter Bergbewohner in den Genen hat, sofort zu zerstreuen, u. a. auch mithilfe einer vollständigen Untersuchung der möglichen und reellen wirtschaftlichen Auswirkungen.

Nach Meinung der Experten soll die Kernzone die wahre Attraktion des Parks sein und zahlreiche Besucher anziehen. In diesem Zusammenhang sind aber bereits einige Probleme aufgetreten. Die Proteste der Jäger haben beispielsweise dazu geführt, dass der Perimeter der Kernzone aus leicht zugänglichen Orten wie dem Valle Malvaglia und Valle Carassina in andere, schwerer erreichbare Gebiete verlegt wurde. Dadurch büsst die Kernzone einen grossen Mehrwert ein. Der für Touristen relativ leicht zugängliche Teil der Kernzone befindet sich nämlich somit in der Hochebene der Greina, die bereits heute von rund 10-15.000 Besuchern jährlich profitiert. Die meisten davon folgen den klassischen Wanderwegen in der Talsohle, die Reisezeit beschränkt sich auf nur drei Monate pro Jahr.

Ist das Greinagebiet nun vom Umweltgesichtspunkt her in der Lage, eine Verdopplung des Besucheraufkommens zu „verkraften“? Was denken die Umweltverbände (heute, und nicht in zwei Jahren!)?

Kann sich ein Hotel in Olivone mit der Aussicht auf einen moderat zunehmenden Tourismus, begrenzt auf drei Monate pro Jahr, halten? Über diese Fragen muss ernsthaft nachgedacht werden, und sie erfordern Antworten.

 

Parc Adula, 1 | 6 | 2013