© Parc Adula
Parc Adula: ein demokratischer Prozess.
Christian Stauffer, Geschäftsführer, Netzwerk Schweizer Pärke.
Schutzgebiete umfassen weltweit weniger als 13% der terrestrischen Ökosysteme, 5% der Küstengebiete und geringfügige Anteile des offenen Meeres, insgesamt weniger als 10% der Fläche der Erde. Es sind die letzten paradiesischen Flecken auf unserem blauen Planeten, welche wir als dominante Spezies übrig gelassen haben. Während die Tourismusbranche diese schon lange zu Herzstücken ihres Angebots gekrönt hat, interessieren sich zunehmend auch die Vermögensberater dafür.
Keine Institution symbolisiert einen bewussten, schonenden Umgang mit der knappen Natur besser als ein Nationalpark. Hier räumt der Mensch der Natur und ihren Prozessen auf einer gewissen Fläche – der Kernzone – sogar den Vorrang vor seinen eigenen unmittelbaren Bedürfnissen ein. Bewohner urbaner Regionen haben ein riesiges Bedürfnis nach Natur, ihren Erscheinungsformen, Rhythmen, Geräuschen und Gerüchen. Richard Louv diagnostiziert in seinem Buch „Last Child in the woods“ bei den modernen Menschen Naturmangel als eigentliche Krankheit (nature deficit disorder). Für ein menschenwürdiges Leben brauchen wir die Natur.
Wäre ein regionaler Naturpark eine Alternative zum Nationalpark? Mit ihm gäbe es zwar keine Einschränkungen aber auch weniger Profil. Angesicht der Vielzahl von bestehenden Regionalen Naturpärken wäre diese Kategorie für den Parc Adula höchstens eine Notlösung.
Die Stimmbürger der 17 Gemeinden des Parc Adula haben es in der Hand und stimmen am 27. November über das Nationalpark-Projekt ab. Es ist das erste Mal weltweit in der Geschichte der Nationalpärke, dass die Bevölkerung darüber bestimmt, ob sie einen Nationalpark will oder nicht. Sie nimmt das Geschick einer vielfältigen Region mit drei Sprachen in die eigenen Hände. Im Vergleich zum Gebiet einer Gemeinde ein komplexes Gebilde, letztlich aber immer noch überschaubar und für den einzelnen spürbar. Der Nationalpark bietet einen Rahmen. Innerhalb dessen kann die Bevölkerung die Parkregion gestalten.
Was ist die Alternative zum Nationalpark? Keinen Park zu haben heisst keineswegs dass alles so bleibt wie es heute ist. Ohne Park ist zu erwarten, dass die Region Entwicklungen auf übergeordneter Ebene viel stärker ausgesetzt ist und als Region weniger mitbestimmen kann. Soll etwa die alpine Brache als ungewollte Realität die Alternative zum Park darstellen?
Ich kann als Jäger zwar Leo Tuor im Innersten verstehen. Er möchte die wilde Natur und ihre Schätze für sich als freier Mensch und Jäger. Er legt nahe, dass dies ohne Park möglich sei. Die Willensnation Schweiz war aber schon immer und ist heute mehr denn je auf die Solidarität und den Ausgleich zwischen Berggebiet und Mittelland angewiesen. Der Nationalpark ist auch ein Projekt der Solidarität und des Ausgleichs zwischen Bergregion und urbanem Raum. Im Gegensatz zum Konzept der Alpinen Brache von Herzog und de Meuron bietet er der Bevölkerung eine Perspektive, wirtschaftlich, gesellschaftlich und ökologisch.
Ich hoffe sehr, dass die Stimmbürger der 17 Gemeinden am 27. November die Möglichkeit wahrnehmen und Nationalpark werden. Damit schaffen sie eine klare Perspektive für eine positive Entwicklung ihrer Region, welche sie selber in hohem Mass mitbestimmen können